Fotografie am Mikroskop

2016 kam meine Ursi von einem Pilzseminar zurück und drückte mir zwei Prospekte mit Mikroskopen in die Hand. Sie meinte, auf dem Seminar hat man ihnen empfohlen Pilze unter dem Mikroskop zu untersuchen. Nun ja, ich war auf jeden Fall Feuer und Flamme, hatte aber keinen blassen Schimmer von Mikroskopen.

Ich habe dann mal angefangen mich mit der Materie zu beschäftigen und war voll überfordert. Da war die Rede von Endlich- und Unendlichsystemen, Köhlersche Beleuchtung, Kondensoren, Kontrastverfahren und was weiss ich nicht alles. Ich habe mich dann in einem Forum angemeldet und Fragen gestellt. Eigentlich wollten wir ein neues Mikroskop, empfohlen wurde mir aber ein gutes gebrauchtes Mikroskop.

Letztendlich konnte ich dann Kontakt zu einem Schweizer Mikroskopiker herstellen. Der führte uns dann ein altes Olympus, ein altes Zeiss und ein neues Motic vor. Das Motic sah natürlich sehr modern und schick aus, kein Vergleich zu dem alten Zeiss. Aber dann stellte sich heraus, dass das Motic nur bedingt ausbaufähig war, während Olympus und Zeiss extrem ausbaufähig waren.

Es folgten dann noch diverse Nachfragen und wir entschieden uns für das Zeiss, ein Standard WL (mindestens 35 Jahre alt), welches sich dann als Forschungmikroskop entpuppte, welches man bis zum Abwinken ausbauen konnte und weiter kann, was ich in den Jahren dann auch tat und sogar noch ein zweites WL kaufte.

An dem Mikroskop ist alles aus Metall, bis auf die Leuchtfeldblende, welche aus Kunststoff ist; damit kann man Nägel in die Wand schlagen. Kleine Anmerkung: 1959 kostete ein WL mit fünf einfachen Objektiven ca. DM 3.900,- also soviel wie ein nagelneuer VW Käfer! Ein modernes Mikroskop mit derartigen Ausbaumöglichkeiten liegt heute locker im oberen fünfstelligen, wenn nicht sogar sechstelligen Bereich, allerdings dann in Euro.

Für mich war auch klar, da muss eine Kamera dran, wo man mir gleich prophezeite, dass das noch mehr Schwierigkeiten für mich bedeuten würden. Wie gross die wurden und was man letztendlich für einen Aufwand treiben muss, um vernünftige Bilder zu erhalten, ahnte ich da noch nicht.

Aber wie nun die Kamera an das Mikroskop bekommen? Ein Trinokular war ja eingebaut, sprich man kann mit beiden Augen das Objekt betrachten und über einen Schieber einen Ausgang zur Kamera schalten, wo dann 80% des Lichts zur Kamera gehen und 20% zu den Augen.

Von einem freundlichen Mikroskopiker aus Deutschland bekam ich dann eine passende Fotoreinrichtung von Zeiss, die seinerzeit für 35mm Kameras genutzt wurde, was nun nicht so recht zu meinen Olympus mit mFT-Sensor oder den Fujis mit APS-C Sensor passt. Da musste ich dann mit den Okularen tricksen und gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen.

Mittlerweile setze ich aber eine Astronomie-Kamera mit aktiver Luftkühlung am Mikroskop und verschiedene Okular-Objektivkombinationen ein, wodurch ich recht flexibel geworden bin. Einfacher wird es deshalb aber nicht, denn nun muss ich mich mit spezieller Software rumschlagen, um aus der Astrokamera ein farbkorrektes Bild zu erhalten.

Wie sieht das nun aus? Na, so:

Zeiss Standard WL / 1 – Stativ / 2 – Leuchtfeldblende, wird jetzt mit LED betrieben / 3 – Trinokular / 4 – Fototubus / 5 – KPL 10-fach Okulare mit Dioptrieneinstellung / 6 – 7-fach Objektivrevolver / 7 – Objekträgertisch in vier Richtungen verschieb-und drehbar / 8 – Universalkondensor für Durchlicht, Phasenkontrast und Differentialinterferenzkontrast (DIK) 9 – Grob- und Feintrieb / 10 – Kondensorhöhenverstellung / 11 – Zwischentubus für Polarisationseinrichtung und DIK / 12 – DIK-Schieber
Altair Hypercam 183C, 20 MP, Pixelpitch 2,4 Micrometer auf Zeiss Fototubus. Im unteren Bereich, über dem geriffelten Ring, befindet sich je nach gewünschter Vergrösserung ein 6,3-fach, 8-fach, 10-fach, 12,5-fach Okular oder 80mm Projektiv. Zwischen Fototubus und Kamera befindet sich eine Raynox DCR-250 (achromatische Makro-Linse), die bei mir eine erhebliche Verbesserung der Bildqualität bringt.

Soweit erst einmal zum aktuellen Aufbau mit dem man schon Fotos machen kann. Mit meiner jetzigen Ausstattung kann ich eine Vergrösserung von 1250-fach erreichen, wenn ich ein 100er Objektiv und 12,5-fach Okulare verwende, was ich bislang noch nie gemacht habe, denn die eigentliche Grenze für Lichtmikroskope liegt bei 1000-fach. Derartige Vergrösserungen machen nun aber kleinste Erschütterungen sichtbar, was dem Foto gar nicht bekommt.

Um Erschütterungen schon am Anfang zu dämpfen steht das Mikroskop bei mir auf einem massiven Unterbau, entkoppelt via Sorbothan-Dämpfer die unter einer Eichenplatte kleben auf der letztendlich das Mikroskop steht. Durch den Einsatz von Blitzgeräten mit extrem kurzer Abbrennzeit kann man auf derartige Massnahmen verzichten. Die Einkopplung des Blitzes in den Strahlengang der Beleuchtung ist dann wieder eine andere Sache. Bei mir funktioniert zudem der Einsatz von Blitzgeräten nicht, da die Astrokamera gar nicht damit umgehen kann und meine „normalen“ Kameras mit elektronischem Verschluss keine Blitzgeräte synchronisieren können. Das wird erst gehen, wenn die Kameras über einen Sensor mit Global Shutter verfügen und die sind aktuell so rar wie Einhörner.

Wenn man nun glaubt das war es, dann sage ich nur Pustekuchen, denn bei einem Mikroskop von Tiefenschärfe zu reden ist Illusion, da diese so gering ist, dass quasi keine vorhanden ist. Für histologische Untersuchungen oder botanische Schnitte mag es noch reichen, aber bei Diatomeen oder mikroskopisch kleinen Lebenwesen wird es sehr schwierig. Es ist also Stacking angesagt.

Stacking am Mikroskop ist nun auch nicht einfach. Der Feintrieb bei meinem Mikroskop liefert bei einer Umdrehung eine Veränderung des Tischabstandes zum Objektiv von 100 Mikrometern. Wie soll man da einen Mikrometer per Hand einstellen? Viel zu ungenau und wer will schon zig hundert Aufnahmen per Hand steuern?

Ich habe mir daher einen Controller von Cognisys sowie einen passenden Schrittmotor gekauft. Der Schrittmotor treibt über einen Zahnriemen den Feintrieb des Mikroskops mit einer Untersetzung von 2,4 zu 1 an.

Schrittmotor mit Zahnriemen am Feintrieb
Cognisys Controller

Alle Einstellungen könnte man jetzt direkt am Controller machen. Einfacher ist es aber den Controller via USB mit dem PC zu verbinden und dort mit geeigneter Software anzusteuern. Ich benutze dazu „Zerene Stacker“, eine Stacking Software, die ich sowieso im Einsatz habe und die den Cognisys Controller direkt unterstützt.

Mittels dem StackShot Controller in „Zerene Stacker“ stelle ich den Start- und Endpunkt des Stack-Bereichs ein. Unter Step Size wird dann die rechnerische Tiefenschärfe des zu nutzenden Objektivs eingegeben.

Normalerweise macht man mit dieser Software Einzelaufnahmen. Die Software löst dazu in gewissen Zeitabständen die Kamera aus und transportiert dann den Stackschlitten um die entsprechende Step Size weiter zur nächsten Aufnahme. Da die Astrokamera aber so nicht angesteuert werden kann, gehe ich hier einen anderen Weg und „missbrauche“ entsprechende Astronomie Software.

In der Configuration vom Controller habe ich dazu eine Vorschubzeit von 0,15 Sekunden eingestellt. Die Kamera wird dann über die mitglieferte Aufnahme Software angesteuert und nimmt dabei ein Video auf, welches im SER-Format gespeichert wird. Dieses SER-File gebe ich dann in die Astro-Software SIRIL, die das SER-File ausliest und jeden Frame in einem einzelnen FITS-File speichert oder alternativ alle FITS in einem einzigen, riesigen FITS-File. Eine Alternative wäre hierbei noch, dasss man mit der Software „SER Player“ das SER-File in TIFFs zerlegt, die dann in einem handelsüblichen Stacking Programm verarbeitet werden, was mich persönlich aber nicht überzeugt hat.

Bei der Zerlegung in einzelne FITS wird eine sogenannte Sequenz Datei erzeugt. Mit dieser und den FITS Files erfolgt dann in SIRIL das Stacking, welches in einem neuen FITS-File endet, wo das gestackte Bild enthalten ist. Jetzt wird es lustig, denn das Bild ist im RGB-Modus total grün, obwohl es doch eigentlich farbig sein sollte. Warum dem so ist konnte ich noch nicht ergründen.

Mittels der in SIRIL integrierten Bildbearbeitung kann man unter anderem das Grün in korrekte Farben umwandeln:

Das in SIRIL korrigierte Bild speichere ich dann als 16-Bit TIFF ab und bearbeite es in Photoshop weiter. Da nehme ich dann Korrekturen und Änderungen wie folgt nach Gusto vor. Ich erhebe da keinen Anspruch auf ein Bild für eine wissenschaftliche Dokumentation, sondern dass das Bild einfach nur fúr mich schön aussieht, was dann wiederum Geschmackssache ist.

  • Objekt freistellen um den Hintergrund problemlos modifizieren zu können.
  • Beim Hintergrund setze ich auf den Gaussschen Weichzeichner oder tausche den Hintergrund in einem späteren Schritt komplett aus
  • Entrauschen, sofern erforderlich
  • Helligkeitskorrekturen mit Luminanzmasken
  • gegebenenfalls Tonwertkorrektur
  • Schärfen, was zum Teil sehr kräftig erfolgen kann
  • Evtl. das Objekt mit einem Schein nach aussen versehen
  • Evtl. Hintergrund austauschen
  • Schlagschatten erzeugen

Genug mit der Theorie. So sehen dann die Ergebnisse aus. Es handelt sich hier um Spicula bzw. Schwammnadeln. Diese entstammen dem Skelett von Schwämmen (soll so um die 8300 Arten geben) und bestehen aus Calcit oder Kieselsäure. Für das Mikroskop müssen diese aufwendig gereinigt werden. In dem genutzten Präparat wurden die Spicula mühsam aus einer grossen Menge ausgesucht und dann genauso mühsam einzeln gelegt. Ich habe davon keine Ahnung und auch nicht die erfoderliche Ausrüstung und kaufe derartige Präparate, in diesem Fall von Dr. Ralf Nötzel.

„Spicula“ – Oamaru Neuseeland – 1179 Einzelaufnahmen
Breite der Spicula ca. 0.18 mm – DIK – Zeiss Planapo 25/0.63 – Projektiv Zeiss 80mm
Präparat von Dr. Ralf Nötzel
„Spicula“ – Oamaru Neuseeland – 624 Einzelaufnahmen
Breite der Spicula ca. 0.40 mm – schiefe Beleuchtung – Zeiss Neofluar 16/0.40 – Zeiss KPL 6.3
Präparat von Dr. Ralf Nötzel

Das nachfolgende Bild wurde mit Phasenkontrast PH3 aber einem „normalen“ Neofluar 16 aufgenommen. Dadurch wird eine Art Dunkelfeld erzeugt, das mein Neofluar nicht für Phasenkontrast vorgesehen ist.

„Spicula“ – Oamaru Neuseeland – 594 Einzelaufnahmen
Breite der Spicula ca. 0.40 mm – Phasenkontrast PH3 – Zeiss Neofluar 16/0.40 – Zeiss KPL 6.3
Präparat von Dr. Ralf Nötzel
„Spicula“ – Oamaru Neuseeland – 390 Einzelaufnahmen
Länge der Spicula ca. 0.70 mm – schiefe Beleuchtung – Zeiss Neofluar 10/0.30 – Zeiss KPL 6.3
Präparat von Dr. Ralf Nötzel
„Spicula“ – Oamaru Neuseeland – 538 Einzelaufnahmen
Länge der Spicula ca. 1.13 mm – schiefe Beleuchtung – Zeiss Neofluar 10/0.30 – Zeiss KPL 6.3
Präparat von Dr. Ralf Nötzel

Ich hoffe, dass ich Euch mit dem Beitrag nicht zu sehr gelangweilt habe. Die Mikroskopfotografie ist aber ein hochinteressantes und spannendes Anwendungsfeld in der Fotografie mit dem Vorteil, dass man sich damit zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter damit beschäftigen kann. Man taucht dabei in eine faszinierende Welt ein, die den meisten von uns normalerweise verborgen bleibt. Ich möchte das nicht mehr missen, obwohl der Aufwand teilweise riesig ist.

Dazu kommt, dass man als Unbedarfter keine Ahnung von der Materie hat und jemanden braucht, der einen an die Hand nimmt und die entscheidenden Hinweise gibt, so wie ich es immer wieder im Mikroskopie Forum https://www.mikroskopie-forum.de erlebe. So bin ich auch an den Schweizer Mikroskopiker gekommen, bei dem ich dann den grössten Teil meiner Ausstattung erworben habe.

Einfach mal was bei ebay kaufen ist keine gute Idee, da man da ordentlich auf die Nase fallen kann. Auch der Erwerb eines neuen Mikroskops kann daneben gehen, da man für die heutigen, günstigen Preise kaum was gutes bekommt. Dann lieber ein gutes, altes, gebrauchtes, was im Vergleich zu den heutigen Mikroskopen quasi unverwüstlich ist. Dafür sehen die mitunter etwas altertümlich aus.


Einige Erklärungen für Wissbegierige

In den Bildbeschreibungen finden sich diverse Bezeichnungen, die uns Fotografen eigentlich fremd sind, als da wären

  • DIK = Differential Interferenz Kontrast. Hier eine einfache Erklärung. Das Licht wird bevor es auf den Kondensor trifft polarisiert. In meinem Kondensor (es gibt verschiedene DIK Arten) sitzen dann drei verschiedene Wollastron Prismen, die nur in einer bestimmten Objektivkombination gute Ergebnisse liefern. Es kommt immer nur eines dieser Prismen zum Einsatz, je nach Objektiv. Die Prismen teilen das Licht in zwei Teile, von denen einer 0 Grad und der zweite 90 Grad polarisiert ist. So geht das Licht durch das Präparat und das Objektiv, wo dann vor den Okularen durch ein weiteres Wollastron Prisma die beiden Teile wieder vereinigt werden. Dadurch entsteht für den Betrachter eine Art 3D-Effekt, den ein Foto so nicht rüberbringen kann.
  • Schiefe Beleuchtung. Normalerweise wird das Licht durch den Kondensor, der normalerweise exakt ausgerichtet ist, gerade auf das Präparat gelenkt. Bei der schiefen Beleuchtung arbeitet man mit speziellen Blenden oder mit einem verstellten Kondensor, wodurch das Licht nicht mehr gerade auf das Präparat fällt. Auch hier entsteht durch Schattenbildung eine Art 3D-Effekt.
  • Phasenkontrast. Einfache Erklärung: Im Kondensor ist eine Ringblende und im Objektiv ein Phasenring eingebaut. Diese müssen zueinander passen. Die Ringblende lässt das Licht nur unter einem bestimmten Winkel auf das Präparat fallen. Im Präparat wird das Licht an den Strukturen durch Beugung teilweise abgelenkt. Das gebeugte Licht verläuft im Gegensatz zum ungebeugten Licht grösstenteils nicht durch den Phasenring im Objektiv und wird daher nicht beeinflusst. In der Bildebene, die man durch das Okular betrachtet kommt es dann zu einer Interferenz von gebeugtem und ungebeugten Licht, wodurch feine Strukturen besser erkennbar werden.
  • Neofluar 10/0.30. Hier handelt es sich um ein Objektiv mit speziellen Gläsern. Die Vergrösserung ist 10-fach. Mit 0.30 wird die Nummerische Apertur bezeichnet, was in etwa der maximalen Blende bei einem Kameraobjektiv entspricht. Bei dem genannten Objektiv wäre das Blende 1.67. Je kleiner die NA desto grösser die Tiefenschärfe aber desto geringer die Fähigkeit des Objektiv feinste Details aufzulösen.
  • Präparat. Darunter versteht man einen Glasträger auf dem das zu betrachtende Objekt liegt. Das Objekt befindet sich je nach Anwendung in einer Flüssigkeit (damit es nicht austrocknet und sich dadurch verzieht) und wird durch ein Deckglas zum Objektiv hin abgeschottet. Bei Dauerpräparaten wird das Objekt hingegen in einem Einschlussmittel eingebettet und durch ein Deckglas abgedeckt. Wenn das Einschlussmittel dann ausgehärtet ist (kann Wochen dauern) ist das Präparat jahre- oder sogar jahrzehntelang haltbar und das Objekt sicher geschützt.
Hier sieht man das Präparat zwischen Kondensorline und Objektiv

This Post Has One Comment

  1. ich komme mir vor wie ein erstklässler mit schiefertafel, griffel und schwamm. oder wie 1972, als ich „autocoder“, eine längst ausgestorbene ibm computer programmiersprache erlernen sollte. doch du hast in mir den gwunder geweckt. dafür möchte ich dir danken.

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