Das A und O der Insektenfotografie ist, von der Ausrüstung einmal abgesehen, dass man die Objekte der Begierde auch findet. Ganz ähnlich wie in der Wildtierfotografie gilt hier die Regel, mach dich mit den Lebensgewohnheiten der Tiere vertraut, so findest du am Ehesten ihre Habitate, Futterpflanzen oder Beutetiere.
Ist man nicht sehr wählerisch, kann man auch mit etwas Zeit und Geduld und vor allem offenen Augen durch die Gegend gehen. So wird man rasch auf unterschiedliche Tierchen treffen, die sich für ein Bild anbieten.
Neben diesen beiden Ansätzen gibt es auch noch einen dritten Weg, um zu passenden Models zu kommen.
Lass die Insekten wissen, wie deine Lebensgewohnheiten sind. Will sich jemand fotografieren lassen, weiss er dann, wo er dich findet. Jetzt werden viele denken, das ist doch Blödsinn, sowas funktioniert sicher nicht.
Ich wende so einen Mix von planlos durch die Natur streifen, und zu Hause auf sie warten an. Mit dem folgenden Beitrag möchte ich zeigen, dass es durchaus Insekten gibt, die an Bildern interessiert sind und mich besuchen kommen.
Wo es mir möglich ist, die Insekten zu bestimmen, mach ich das nach bestem Wissen und Gewissen (natürlich nur aufgrund meiner Bilder). Im einen oder anderen Fall ist die Bestimmung nicht möglich, dort wo ich sie mache, kann ich aber für deren Richtigkeit nicht garantieren. Sollte ich irgendwo falsch liegen, bin ich für Hinweise auf den Fehler oder gar die richtige Art sehr dankbar.
Die nun folgenden Bilder teile ich in die zwei folgenden Kategorien: „Im Haus“ und „Am Haus“.
Anfangen werde ich mit den Shootings im Haus, die Bilder sind vom letzten Jahr bis heute.
Der Erste Kandidat hat sich schon relativ früh im letzten Jahr bei uns im Wintergarten eingefunden, dieses Bild habe ich am 25. April 2021 gemacht:

Rhyparochromus vulgaris
Damit war dann die Insektensaison so quasi eröffnet nur vier Tage später fand sich dann dieser bunte Besucher bei uns ein.

Thanasimus formicarius
Der Ameisenbuntkäfer ist schon sehr früh im Jahr aktiv, er ernährt sich von Borkenkäfern. Er hat hier wohl kurz kontrolliert, ob unser Parkett von solchen Schädlingen befallen ist. Ich hielt das für eher unwahrscheinlich und habe ihn dann wieder nach draussen begleitet.
In der Folge haben sich die Aktivitäten der lokalen Insekten etwas beruhigt. Erst Mitte Juni hat uns ein Scheinbockkäfer besucht. Auch hier hat sich gezeigt, dass es vorteilhaft ist, wenn die Insekten die Lebensgewohnheiten des Fotografen kennen. Dieser Käfer kam kurz vor Mitternacht, so haben sich unsere Wege gekreuzt und es entstanden ein paar schöne Bilder…
Im Anschluss habe ich den Oedemera femoralis dann auf einer kleine Topfpflanze ans offene Fenster gestellt. So war er frei, wieder seines Weges zu ziehen.

Oedemra femoralis
Gut einen Monat später hat sich dann wieder Besuch im Wintergarten eingestellt, eine bunte Fliege hat sich wohl ein wenig über die Scheiben geärgert. Ich habe sie fotografiert und als Gegenleistung habe ich sie in die Freiheit begleitet.

Cylindromyia bicolor
Der Wintergarten ist tatsächlich ein Ort wo sich an sonnigen Tagen oft Insekten einfinden. Der eine oder andere wird jetzt sagen, die Insekten geraten da in eine „Falle“ und kommen gar nicht, um fotografiert zu werden. Die folgende Begebenheit zeigt, dass dies natürlich nicht so ist. Da flog einmal eine kleine Wildbiene ganz aufgeregt an der Scheibe auf und ab. Ganz offensichtlich ärgerte sie sich über die Scheibe und dass sie dahinter „gefangen“ war. In so einem Fall nütze ich die Situation natürlich nicht aus und helfe dem verzweifelten Tierchen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, ein so hysterisches Bienchen soweit zu beruhigen, dass es sich ins Freie tragen lässt. Als es dann aber einmal auf meinem Finger sass, war es die Ruhe in „Person“. Es wollte gar nicht mehr weg. Weil es doch sehr ausser Atem war, habe ich es zuerst ein wenig zur Ruhe kommen lassen. Dann habe ich es auf einem Blatt, später auf einer Blume platziert.
Die kleine Biene wollte da unbedingt fotografiert werden bevor sie dann weiter zog, natürlich habe ich ihr diesen Gefallen getan. Dabei sind die beiden folgenden Bilder entstanden:


Anfang August wurde ich eines Morgens in unserer Küche von einer Heuschrecke in empfangen. Kurz entschlossen habe ich das Morgenessen etwas verschoben und ein paar Bilder gemacht. Dann habe ich sie vor dem Haus im Steingarten in die Freiheit entlassen. Da wollte sie aber unbedingt noch ein paar weitere Aufnahmen vor dieser schönen Kulisse haben. Ich konnte ihr diesen Wunsch natürlich nicht abschlagen. Leider muss ich gestehen, dass die Küche an diesem Tag nicht perfekt sauber war (ausgerechnet, sonst ist sie das immer!!).
Dadurch war die Diva doch ein wenig verstaubt, daran hat auch die schöne Kulisse des Gartens nichts geändert. Sie musste also noch gereinigt werden. Aber keine Angst, ich habe ihr keine Morgenwäsche verpasst, die Reinigung hat nur digital und dadurch absolut insektenfreundlich stattgefunden.

Gewöhnliche Strauchschrecke
Pholidoptera griseoaptera

Gewöhnliche Strauchschrecke
Pholidoptera griseoaptera
Ende November 2021 hat sich eine kleine Steinfliege in unsere Küche „verirrt“. Auch sie hat nach unserem kurzen Shooting den Weg in die Freiheit gefunden und geniesst womöglich noch immer ein angenehmes und sorgenfreies Leben…

Der nächste Besucher fällt dann schon ins 2022. Mitte März ist mir ein recht kleiner Käfer aufgefallen. Mit nur 3-4mm Körpergrösse ist der schon fast eine Herausforderung zum Fotografieren. Und da muss ich ehrlich gestehen, bei ihm sind mir einige Zweifel gekommen, ob er sich denn wirklich fotografieren lassen wollte. Es kann natürlich auch sein, dass er mit der Location oder der Pose nicht so zufrieden war und deshalb immer wieder den Platz gewechselt hat. Wie auch immer, wir haben ein paar Bilder gemacht und danach ist er seines Weges gezogen.

Anthocomus fasciatus
Vor ein paar Tagen, dann unser letzter Besucher in dieser Reihe. Auch er war eine Herausforderung und im Nachhinein muss ich sagen, dass mir die Artenkenntnis hier vielleicht bei der Gestaltung des Setups etwas geholfen hätte. Er oder sie war etwas aufgeregt, was ja bei einem ersten Fotoshooting an sich auch ganz normal ist. Aber irgendwie hat das mit dem Posing dann nie so richtig geklappt. Wir haben uns auf ein paar Aufnahmen geeinigt und dann ist er wieder auf und davon. Wie sich dann herausstellte, hat es sich bei diesem Besuch um einen Werftkäfer gehandelt. Der ist normalerweise auf und in totem Holz unterwegs. Wie auf dem Bild zu sehen ist, hat er keine behaarten Füsse, wie einige andere Käfer, die dann auf glatten Oberflächen haften. Nur mit seinen „Klauen“ konnte er sich auf glatten Oberflächen kaum halten und rutschte und stolperte so darauf permanent umher. Aber trotzdem ein sehenswertes Tierchen, ich habe mich über seinen Besuch sehr gefreut.

Hylecoetus dermestoides
So das waren einmal die Indoorshootings aus dem vergangenen Jahr. Klar hätte ich noch den einen oder anderen Termin annehmen können. Aber da ich das ja nur als Hobby betreibe und daneben noch ein wenig arbeite, ist die Auslastung so ganz ok. Und dazu kommen ja jetzt auch noch ein paar Aussenaufnahmen von Besuchern die sich nur bis an die Hauswand gewagt haben.
Den Anfang macht der Zimtbär, ein wunderschöner Nachtfalter, der aber an seinem Posing noch etwas arbeiten könnte.
Meist gibt er sich etwas in sich gekehrt, dabei kommt seine wahre Schönheit viel zu wenig zur Geltung.

Phragmatobia fuliginosa
Hier muss ich noch ergänzen, dass er an der Hauswand unmittelbar bei der Tür gesessen hat. Aus Sicherheitsgründen habe ich ihn dann vorsichtig in den Steingarten umplatziert und auch da noch paar Bilder gemacht. Er hat uns letztes Jahr Ende Mai besucht.
Da ich die Gartenfunde hier nicht mit einbeziehe, war dann eine ganze Weile Ruhe um’s Haus. Erst Mitte November hat sich eine Köcherfliege bei uns eingefunden.

Von den Köcherfliegen gibt es in der Schweiz über 300 Arten. Die sehen sich zum Teil sehr ähnlich, somit ist diese Art für mich nicht näher bestimmbar. Wie bei den Steinfliegen, leben bei den Köcherfliegen die Larven im Wasser. Es kann also gut sein, dass wir den Besuch der beiden Gattungen in unserem Haus dem Gartenweiher unseres Nachbarn zu verdanken haben.
Anfang Dezember hat uns dann wieder ein Nachtfalter besucht, auch er sass spät in der Nacht bei kühlen Temperaturen an der Hauswand.

Ptilophora plumigera
Der Haarschuppen-Zahnspinner ist ein recht grosser und sehr schöner Falter der erst im November und Dezember fliegt. Es ist also nicht zufällig, dass er so spät im Jahr noch zu treffen ist. Die Weibchen (im Bild) legen die Eier an Ahornknospen ab, wo diese überwintern. Im Mai / Juni schlüpfen dann die Raupen und ernähren sich von den Blättern.
Dann schon im April 2022 hatten wir Besuch vom Metallfarbenen Schnellläufer.

Harpalus affinis
Auch diese Begegnung fand in der Nacht statt, zum Glück (für mich) war es recht kühl. So wurde der Käfer seinem Namen nicht in allen Belangen gerecht (er war definitiv nicht schnell).
Soviel zu meiner Theorie, es gibt Insekten die wollen fotografiert werden und sie kommen einem deshalb besuchen. Sofern sie wissen, dass man dies dann auch tut.
Neben den 6-Beinern gibt es ja auch noch die Spinnen. Auch da habe ich schon das eine oder andere Bild gemacht, aber ab einer bestimmten Grösse und Laufgeschwindigkeit sind wir uns nicht mehr so sympathisch. Und ich muss natürlich schauen, dass sich meine 6-beinigen Models sicher fühlen. Sollte sich herumsprechen, dass hier Spinnen lauern, ist Schluss mit meiner Karriere als Indoor-Insektenfotograf. Ich begleite die Spinnen dann jeweils nach draussen, wo sie sich in aller Regel sehr schnell verdrücken.